Vor Papstbesuch: Die alte Liebe der CDU zur Kirche ist erloschen – WELT

Die CDU will den Papst betont herzlich empfangen. Doch die alte Nähe zur Kirche ist weg. Merkel hat kein Urvertrauen in die Männer Gottes wie etwa Helmut Kohl.

Angela Merkel neigt generell nicht zum Duzen und zu emotionalen Bindungen, sie hat kein solches Urvertrauen in die Männer Gottes wie etwa Helmut Kohl

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Niemand wird behaupten können, die CDU rolle dem Papst bei seinem Besuch in Deutschland nicht den roten Teppich aus. Im Gegenteil: Frank Steffel, protestantischer Raumausstatter aus Berlin-Reinickendorf und im Nebenberuf Bundestagsabgeordneter, hat sogar einen neuen Teppich für das „Katholische Büro“ spendiert, in dem der Heilige Vater am Donnerstag die Bundeskanzlerin treffen wird.

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Die Sessel, auf denen Papst und Kanzlerin Platz nehmen werden, sind ebenfalls jungfräulich: Ricarda Kusch, eine junge Möbel-Unternehmerin aus dem Sauerland, die dem Parlamentskreis Mittelstand der Union nahesteht, hat dafür großzügig gesorgt.

Auch in der Parteizentrale laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Am Vorabend des Papstbesuches lädt Angela Merkel als CDU-Vorsitzende zu einem Empfang ein: Angefangen vom Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, geben sich viele die Ehre, die im katholischen Deutschland Rang und Namen haben.

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Dabei waren die Hirten erst vor einer Woche da. Zwei Kardinäle und sieben Bischöfe berieten mit Angela Merkel und ihrem Parteipräsidium. Von „vertrauensvoller Atmosphäre“ schwärmt Merkels Generalsekretär Hermann Gröhe in Erinnerung daran.

Auch wenn Gröhe Wert darauf legt, den Papstbesuch nicht parteipolitisch vereinnahmen zu wollen, so könnte es doch genau danach aussehen: Mittwochs sind die Bischöfe in der CDU-Parteizentrale, Donnerstag ist der Papst bei der CDU-Kanzlerin und dem Bundespräsidenten, dessen CDU-Mitgliedschaft nur der Gepflogenheit halber ruht, Samstag schließlich trifft Benedikt auch noch CDU-Altkanzler Helmut Kohl.

Merkel investierte in Beziehung zwischen Kirche und CDU

Ist das wirklich die Partei Angela Merkels, der kühlen Protestantin, die den Heiligen Vater vor zwei Jahren für seine vermeindliche Annäherung an die Pius-Brüder öffentlich kritisierte, Katholiken entsetzte und die Konservativen in ihrer Partei frösteln lässt?

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Tatsächlich hat die Pastorentochter Merkel in den vergangenen zwei Jahren einiges investiert, um das Verhältnis zur katholischen Kirche wieder besser zu machen. Vor allem in der Debatte um sexuellen Missbrauch in kirchlichen und anderen Internaten konnten sich die Bischöfe auf die Kanzlerin verlassen.

Indem Merkel ihrer Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) die Zuständigkeit für Aufarbeitung und Entschädigung der Opfer weitgehend abnahm , verhinderte sie deren Plan, aus dem „Runden Tisch“ einen Pranger für die Kirche zu machen. Dass sich die gesellschaftliche Debatte über Missbrauch nicht vollständig auf den Katholizismus verengte, ist auch Merkels Verdienst.

Bei der Energiewende brauchte sie dann ihrerseits die Katholiken. Merkels schroffes Wendemanöver am Rande des Verfassungsbruchs bedurfte dringend konservativer Legitimation – und die Kirche lieferte: Reinhard Kardinal Marx, Erzbischof von München und Freising, und der Vorsitzende des Zentralkomitees der Katholiken, Alois Glück (CSU), segneten in der von Merkel eingesetzten Ethikkommission den Blitzausstieg ab.

Atomfrage stand schon lange zwischen Kirche und Union

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Tatsächlich hatte die Atomfrage schon lange zwischen Kirche und Union gestanden. Der hoch angesehene Joseph Kardinal Höffner und der konservative katholische Philosoph Robert Spaemann hatten schon Anfang der achtziger Jahre Kernkraft mit dem Argument verworfen, ein die ganze Schöpfung bedrohendes Risiko sei für einen Christen auch als bloße statistische Restgröße niemals tolerabel. Mit drei Jahrzehnten Verspätung schwenkte Umweltminister Norbert Röttgen für die CDU auf diese Position.

Dennoch ist das Verhältnis weit von der selbstverständlichen Nähe und dem herzlichen Einvernehmen entfernt, die frühere CDU-Kanzler mit Kirchenfürsten teilten. „Karl, gut, dass Du da bist!“ pflegte Helmut Kohl seinerzeit Kardinal Lehmann im Kanzleramt wie einen persönlichen Freund zu begrüßen.

Merkel, die generell weder zum Duzen noch zu emotionalen Bindungen neigt, hat kein solches Urvertrauen in die Männer Gottes. „Sie ist eine neugierige, interessierte Zuhörerin“, beschreibt ein führender Katholik ihre wohlwollende Fremdheit zum hohen Klerus. Im Kanzleramt fühlen sich Bischöfe noch verstanden, aber nicht mehr wie zu Hause.

Anders als oft behauptet, begründen Merkel oder ihr überwiegend protestantisches Umfeld die wachsende Distanz zwischen Partei und Kirche nicht ursächlich. „Es gibt Entfremdungserscheinungen, weil das katholische Milieu die CDU nicht mehr so prägt wie früher“, meint Prälat Karl Jüsten, der das Büro der deutschen Bischofskonferenz in Berlin leitet, in dem gerade das neue Mobiliar für den Papst aufgestellt wird.

Früher sei vor allem das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, das höchste Laiengremium, eine Art Vorfeldorganisation der Union gewesen. Heute geben dort, neben Alois Glück, vor allem SPD-Politiker und Grüne den Ton an. Jüsten findet das nicht bedenklich: „Für die Kirche ist es nicht von Nachteil, dass man als guter Katholik jetzt auch in anderen Parteien zu Hause sein kann.“

Katholischsten Reden kamen von der SPD

Tatsächlich wurden die katholischsten Reden zur Bioethik zuletzt von der SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles und dem SPD-Politiker Wolfgang Thierse in der Debatte um die Präimplantationsdiagnostik gehalten. Die Kanzlerin hatte sich gegen den Gentest an Embryonen ausgesprochen, die Debatte dann aber in Partei und Parlament laufen lassen.

Die prominenten Katholiken in der Union fielen zuletzt eher durch kirchenpolitische Beiträge auf. Merkels Bildungsministerin Annette Schavan und sieben weitere profilierte Christdemokraten sprachen sich Anfang des Jahres dafür aus, auch „viri probati“, also „bewährte, verheiratete Männer“ als Priester zuzulassen, um dem gravierenden Priestermangel in Deutschland Herr zu werden.

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Rom reagierte offiziell gar nicht, konservative Katholiken schäumten aber über „Schneewittchen und die sieben Zwerge“, die es als Politiker gewagt hätten, dem Heiligen Vater vor einem Besuch ein Thema zu diktieren. Die Unterzeichner wollten ausdrücklich zum innerkirchlichen Diskurs beitragen – verstummten jedoch, um den Anschein eines Zwistes zwischen CDU und Papst zu vermeiden.

Wie verworren die Fronten hier verlaufen, zeigt der Fall Erwin Teufel. Der ehemalige Baden-Württembergische Ministerpräsident hielt im Sommer eine furiose Rede über das „C“ , das man bei der CDU nicht mehr erkennen könne und gilt seitdem als ein konservativer Kritiker Merkels. Im innerkatholischen Diskurs ist das anders.

Merkel erhofft sich vom Papst Rückenwind

Auch Teufel hat für die „viri probati“ unterschrieben. Merkel vermeidet selbstverständlich, sich im katholischen Richtungsstreit zu positionieren. Auch deshalb verweigert sie dem konservativen „Arbeitskreis Engagierter Katholiken“ (AEK) beharrlichen den gleichen Status, den ein Evangelischer Arbeitskreis in der CDU schon lange hat.

Vom Papst erhofft sich die Kanzlerin jetzt Rückenwind. In ihrem Umfeld geht man davon aus, dass Benedikt den Bundestag daran erinnern wird, dass Europa mehr ist als ein materialistischer Zusammenhang. Das wäre Unterstützung für Merkels Werben, die ganze Eurozone inklusive Griechenland mit Garantien und Hilfen zu stützen.

Die alte katholische Position, die Finanzmärkte in eine dienende Funktion zurückzudrängen, teilt Merkel seit Ausbruch der Finanzkrise auch. Die neue Marktskepsis der CDU nimmt bisweilen heitere Züge an. Lachend erinnert einer aus Merkels Umfeld an die Rede von Reinhard Kardinal Marx auf dem 75.Geburtstag von Norbert Blüm.

Der ehemalige Arbeitsminister habe immer treu zur katholischen Soziallehre gestanden, lobte der Kardinal. Darum habe er 2003 auf dem CDU-Parteitag auch gegen Merkels ambitioniertes Reformprogramm gestimmt.